Skip to content

:: Videoüberwachung an Königsgalerie Kassel nicht aktiv! ::

Videoüberwachung Königsgalerie Kassel

Am Eingangsbereich der Königsgalerie in Kassel befinden sich zwei Videoüberwachungskameras, wie wir hier und dort bereits dokumentiert haben. Aufgrund der weitläufigen Möglichkeiten zur Raumüberwachung einer Dome-Kamera und der hierzu unzureichenden Beschilderung reichten wir Beschwerde bei der Landesbeauftragten für den Datenschutz (LfD) Niedersachsen (hier liegt die Zuständigkeit, da die Betreiberin der Königsgalerie ihren Sitz in Niedersachsen hat) ein und baten um Prüfung der Videoüberwachungsanlage mitsamt der gegebenen Beschilderung.

Die LfD Niedersachsen teilt schließlich mit, daß sie ein aufsichtsbehördliches Prüfverfahren eingeleitet hat. Im weiteren Verlauf wurde uns mitgeteilt, daß unsere Beschwerde als unbegründet abgewiesen wird, da die Betreiberin der Königsgalerie zur Auskunft gab, daß durch sie keine Videoüberwachung stattfindet. Die vom Vorbesitzer installierten Videokameras seien nicht mehr aktiv. Von einer Kontrolle vor Ort durch die LfD Niedersachsen wurde in Ausübung ihres Ermessens abgesehen, da ihr keine Anhaltspunkte vorlagen, daß die getroffenen Aussagen seitens der Betreiberin der Königsgalerie nicht korrekt seien.

Somit bleiben hier Kameras, welche letztlich noch immer im Stande sind, einen Überwachungsdruck zu erzeugen. Daß sie nicht aufzeichnen und beobachten, wollen wir dann unisono mit der LfD Niedersachsen glauben.

:: Hinweisschilder zur Videoüberwachung in der Kasseler Innenstadt ::

Die Diskussion um die Beschilderung zur Videoüberwachung in der Kasseler Innenstadt ist alt. Von Kritikern ist schon früh angemerkt worden, sie sei unvollständig, schlecht platziert oder es sei überhaupt gar keine vorhanden. Dies hatten wir bereits an dieser Stelle schon einmal kurz thematisiert. Fakt ist, dass eine Beschilderung wohl schon immer vorhanden ist. Zumindest haben wir im Jahr 2010 mit Beginn der Dokumentation die Hinweisschilder bereits in den entsprechenden Beiträgen auf dieser Seite fotografisch erfasst. In der Zwischenzeit ist die Beschilderung aktualisiert worden, so dass anstelle eines Hinweises zum "Magistrat der Stadt Kassel" nun das Polizeipräsidium Nordhessen ordnungsgemäß als Überwacher genannt ist.

Exemplarisch zeigen wir hier nun 3 Hinweisschilder, welche sich im Innenstadtbereich befinden und den "Eintritt in videoüberwachte Bereiche" anzeigen. Es ist darauf hinzuweisen, wie klein diese Schilder sind und in welcher Höhe sie montiert worden sind. Beim Gang durch die Stadt fallen die Schilder so gut wie überhaupt nicht auf. Wir haben es spontan getestet und bekamen auf Nachfrage die Antwort: "Ich habe noch nie Schilder gesehen". Man muss wirklich sehr aufmerksam "suchen", um diese zu entdecken. Das steht für uns in Widerspruch zu einem auf das "Sicherheitsgefühl" der Bürgerinnen hin immer wieder artikulierten Ziel einer Videoüberwachung in der Kasseler Innenstadt, welches sich durch eine auffallende Beschilderung doch überhaupt erst konstituieren könnte? Während zum einen die Kameras selbst nicht leicht ins Auge fallen, lässt zum anderen die Art und Weise der Beschilderung also auch wenig Möglichkeit zu erkennen, dass man sich in einen videoüberwachten Raum begibt. Somit entfällt theoretisch dann für den Großteil der Menschen auch die Möglichkeit, sich bewusst diesem videoüberwachten Raum entziehen zu können, da nur "versteckte" Hinweise hierauf dargestellt werden.

Bei unseren letzten Recherchen hierzu machte Thomas einen trefflichen Hinweis: "Die rot umrandeten Alkoholverbotsschilder zur Disziplinierung finden sich gut sichtbar auf Augenhöhe, die Schilder, dass man hier videoüberwacht wird, siehst du nicht".

:: "Kassel ist sicher und sogar noch sicherer geworden" ::

"Kassel ist sicher und sogar noch sicherer geworden"

Dieses Zitat von Polizeisprecher Matthias Mänz (sollte dies korrekt zitiert sein und diskursiv als Status Quo für die Stadt gelten, hätten sich unsere Fragen bzgl. einer Notwendigkeit von [Ausbau der] Videoüberwachung eigentlich erübrigt) veröffentlichte die Schmonzette EXTRA TIP (eine "Anzeigenzeitung für die Stadt und den Landkreis Kassel") in ihrer Ausgabe vom 10.04.2021 im Rahmen eines Artikels über die Darstellung des Fernsehsenders "Sky" von Kassel als "Hauptstadt der Gewaltverbrechen". Vernachlässigen wir den Kontext des besagten Artikels und schauen wir auf die vom EXTRA TIP wiedergegebenen und offenbar von Herrn Mänz referierten Ausführungen zur aktuellen Polizeistatistik:

Für das Jahr 2020 wurden durch das Polizeipräsidium Kassel 38744 Straftaten erfasst, im Jahr 2019 waren es 41910 Fälle - also haben wir einen quantitativen Rückgang von 3166 Delikten. 64,5 % der registrierten Straftaten konnten offenbar aufgeklärt werden. Das Blatt schreibt weiter, dass seit Bestehen des Polizeipräsidiums Nordhessen (2001) ein Rückgang der Straftaten von rund 23 % festzustellen sei. Für unsere Begriffe ein durchaus positiver Trend im 10 Jahres Rückblick. Argumentativ wird für den Rückgang im Jahr 2020 die gegenwärtige Covid-Situation und die mit ihr verbundenen Maßnahmen und Einschränkungen angeführt. Für uns stellt sich hierbei die Frage, inwieweit die nötige innerstädtische Vermummung mittels Masken die Aufklärungsquote von Straftaten (und Ordnungswidrigkeiten) durch Videoüberwachung konterkariert. Der EXTRA TIP schreibt: "Somit setzt sich das Plus an Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger in Nordhessen in der Aufklärungsquote fort." Das ist eine wirklich gute Nachricht, wenn man Bezug nimmt auf das vom Oberbürgermeister der Stadt Kassel häufig vorgebrachte notwendige "Sicherheitsgefühl" der Bürgerinnen und Besucher der Stadt Kassel.

Sei die gegenwärtig vorhandene polizeiliche Videoüberwachung in der Kasseler Innenstadt einfach mal als notwendige Unterstützerin im Hinblick auf die Zahlen zur o.g. statistischen Kriminalitätsentwicklung verbucht, bleibt doch die Frage nach der Notwendigkeit eines Ausbaus von Videoüberwachung - insbesondere im Bereich der Oberen Königsstraße, welche de facto überhaupt keinen "Kriminalitätsschwerpunkt" darstellt, und somit ohnehin den rechtlichen Anforderungen einer Videoüberwachung nicht Genüge tut.

Das Sicherheitsgefühl der Kasseler Bürgerinnen und Bürger sowie sonstiger Nutzer des innerstädtischen Raumes lässt sich bestimmt mit der Kommunikation o.g. Zahlen zur aktuellen Polizeistatistik erhöhen und / oder festigen. Wohl aber weitaus weniger durch einen unsinnigen und wildwüchsigen Ausbau von Videoüberwachung. Soll Videoüberwachung denn in irgend einer gearteten Form zu einem "Sicherheitsgefühl" beitragen, muss diese auch entsprechend kommuniziert und angekündigt sein. Die montierten Dome-Kameras in der Kasseler Innenstadt sind überhaupt nur mit einem bereits darüber vorhandenem Wissen oder aber einer sehr aufmerksamen "Kopf nach oben" Haltung beim Gang durch die Stadt erkennbar. Würde nicht zumindest die HNA als populäres lokales Informationsmedium die Thematik aufgreifen, gäbe es zum Thema Videoüberwachung so gut wie keine "offensive" Darstellung zum Thema. Manch einer könnte nun argumentieren, dass doch die Hinweisschilder zur Videoüberwachung alle Nutzerinnen und Nutzer der Innenstadt auf die Videoüberwachung aufmerksam machen (müssten). Dass dies im Kasseler "Schilderwald" und durch die Größe sowie Positionierung dieser in Kassel eine "Herkulesaufgabe" ist, werden wir in einem gesonderten Beitrag in Kürze aufzeigen.

:: Abdecken stationärer Videokameras während Versammlungen - Anfrage an den Oberbürgermeister der Stadt Kassel ::

Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW vom März 20201 besagt, daß das Polizeipräsidium Köln die polizeilich betriebenen Videokameras während Versammlungen abdecken muß.

Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main wandte sich im Zuge eigener Bemühungen2 zur Aufarbeitung von polizeilich betriebenen Überwachungskameras an den Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) und erhielt folgende Stellungnahme:

Der Sichtweise aus der Rechtsprechung, welche fordert, dass eine kriminalpräventive Videoüberwachung bzw. die Kameras während Versammlungen für die Versammlungsteilnehmer/innen sichtbar abgeschaltet sein müssen, schließe ich mich an […]

Vor diesem Hintergrund fragten wir am 14.03.2021 (noch vor dem desaströsen Querdenkerkarneval) per E-Mail beim gewählten Oberbürgermeister der Stadt Kassel im Rahmen eines Bürgeranliegens nach, ob denn für Kassel – ausgehend von o.g. Urteil und der Einschätzung des HBDI – ein Abdecken der polizeilich betriebenen Überwachungskameras in der Kasseler Innenstadt während Versammlungen angedacht sei, weiter erkundigten wir uns nach seinem Verhältnis zum Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in der Funktion als Oberbürgermeister. Erhalten hat er einen kurzen aber präzise formulierten Fragenkatalog.

Antwort erhielten wir nicht wie gewünscht vom Oberbürgermeister, sondern vom Ordnungsdezernenten der Stadt Kassel Herrn Stochla, welcher uns zur Antwort gab:

In Kassel wird im öffentlichen Raum ausschließlich durch die Polizei eine offene Videoüberwachung vorgenommen. Dabei werden die rechtlichen Vorgaben eingehalten.“

Auch teilte er mit, daß unsere Anfrage in seinen Zuständigkeitsbereich fallen würde.

Wir bedauern an dieser Stelle sehr, daß der gewählte Oberbürgermeister Geselle offenbar keine Notwendigkeit sieht, Bürgeranfragen und -sorgen zum Thema „Grundrecht auf Versammlungsfreiheit“ zu beantworten. Wir zeigen uns irritiert darüber, daß im Rathaus Bürgeranfragen an dezidiert ausgewählte Dezernate, an andere de facto nicht befragte Dezernate zur Bearbeitung weitergeleitet werden. Weiter nehmen wir mit Bedauern zur Kenntnis, daß Herr Stochla als Ordnungsdezernent den an Herrn Geselle gesandten Fragenkatalog offenbar nicht gelesen hat, da seine Antwort (welche es perspektivisch unsererseits noch an anderer Stelle zu diskutieren und prüfen gilt) höchstens ansatzweise unsere Fragestellungen tangiert.

Herr Geselle und auch Herr Stochla haben bereits im vergangenen Jahr unrühmlich Aufmerksamkeit erregt, als es um das Thema Videoüberwachung in der Kasseler Innenstadt ging (hierzu sei verwiesen auf verfügbare Presseartikel und die Stadtverordnetenversammlung November 2020). Leider haben sie auch dieses Mal verpaßt, eine konstruktive und den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger sowie weiterer Personen, welche den öffentlichen Raum der Stadt Kassel nutzen, angemessene Stellungnahme abzuliefern.

Daß der Ordnungsdezernent seine Mailkorrespondenz, in welcher er Bürgeranliegen (stellvertretend) ignoriert, mit der Signatur anderer Dezernatsmitarbeiter betreibt, kann sicherlich nur als temporäre Schwäche ordnungspolitischer Organisation im Kasseler Rathaus gelesen werden.

Während beide genannten Vertreter der Kasseler Kommunalpolitik sich zumindest qua Parteibuch der SPD zugehörig fühlen müßten, diese 15 % Partei derzeit immerhin auf Bundesebene versucht sich wieder ansatzweise ein „sozialdemokratisches“ Profil zuzulegen, scheint dies auf kommunaler Ebene leider nur bedingt zu funktionieren.

So bleibt uns also immerhin noch, sollte uns die gegenwärtig grassierende Seuche in absehbarer Zeit eine sichere Gelegenheit schaffen, die Bürgerinnensprechstunde in den Stadtteilen, um unsere Anliegen und Sorgen beim Oberbürgermeister erneut vorzutragen.

1 https://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/01_archiv/2020/19_200313/index.php

2 https://ddrm.de/polizeiliche-videoueberwachung-des-luisenplatzes-in-darmstadt-und-das-grundrecht-auf-versammlungsfreiheit/

:: Update - Kamera demontiert - Kaufungen - Leipziger Straße 429 ::

An dem Gebäude Leipziger Straße 429 in Kaufungen befindet sich eine Kamera. In den nun vom Reha Zentrum genutzten Räumen befand sich vormals eine Filiale der Kasseler Sparkasse. Es ist anzunehmen, daß diese Kamera mehr als nur den Eingangsbereich überwacht, sofern sie noch aktiv ist. Ein Hinweisschild zur Videoüberwachung ist nicht vorhanden. Hierzu haben wir eine Anfrage an den Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit gestellt. Antwort noch offen.

Update 18.10.2020:

Der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit lehnt bis zum jetzigen Zeitpunkt ein aufsichtsbehördliches Prüfverfahren ab, mit dem Verweis auf unser Auskunftsrecht nach Art. 15 der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO), wonach wir erst einmal selbst den Verantwortlichen an sich und weiter mögliche Verstöße seitens diesem im Hinblick auf die Videoüberwachungsanlage ermitteln mögen.

Wir werden den weiteren Verlauf unserer Eingabe weiterführend hier veröffentlichen.

Update 30.10.2020:

Wir erhielten den Hinweis eines Bürgers, daß er ebenfalls beim HBDI eine Eingabe bzgl. o.g. Überwachungskamera getätigt hat. Seine Eingabe wurde seitens der Behörde als "eingegangen" kommentiert.

Update 29.11.2020:

In der Zwischenzeit konnten wir den Inhaber des Gebäudes Leipziger Straße 429 ermitteln und mit diesem in Kontakt treten. Dieser gab uns am 03.11.2020 zur Auskunft, daß die Kamera NICHT in Betrieb ist und "zeitnah" demontiert werden wird. Sollte dies geschehen, werden wir berichten.

Update 01.03.2021:

Heute konnten wir feststellen, daß besagte Kamera vom Inhaber des Gebäudes demontiert worden ist. Die Kamera war nicht in Betrieb, jedoch allein durch ihre Präsenz in der Lage einen Überwachungsdruck zu erzeugen. Wir begrüßen die Entscheidung sehr und danken dem Betreiber für die kooperative Einsicht in den Fall.

:: Videoüberwachung am Bahnhof Wilhelmshöhe Kassel für 2021 geplant - Bestandsaufnahme und Kommentar ::

Wie bereits Anfang dieses Jahres durch die Presse bekanntgegeben, soll der Bahnhof Wilhelmshöhe in Kassel Ende 2021 Videoüberwachung erhalten. Die hier geplante Videoüberwachung, welche im Rahmen einer Sicherheitspartnerschaft durch Bundespolizei und Bahn betrieben werden soll - auch hier wieder forciert durch die SPD gleich dem Vorhaben des sozialdemokratischen Oberbürgermeisters Christian Geselle - erscheint den Befürwortern dieser Maßnahme als dringend notwendig und längst überfällig, wie der bisherigen Berichterstattung zum Thema zu entnehmen ist. Taschendiebstähle und Körperverletzungen sowie gravierende Delikte wie bspw. der tragische Tod eines Kindes am Frankfurter Bahnhof im Juli 2019, sind gegenwärtige Argumente einer erweiterten Inbetriebnahme und Ausdehnung von Überwachungskameras an Bahnhöfen. Während Videoüberwachung als Unterstützung polizeilicher Ermittlungsarbeit bzgl. Kriminaldelikten an Bahnhöfen durchaus konstruktiv diskutiert werden kann, lassen die hervorgebrachten als notwendig formulierten Ziele einer Überwachung und die diesbezügliche Berichterstattung zu diesem Thema teils sehr zu wünschen übrig. Wieder wird Videoüberwachung konsequent als „Wundermittel“ gepriesen, wobei jegliche kritischen Aspekte solcher Überwachungsprojekte außen vor bleiben. Schaut man zudem den Berichterstattern zur Thematik genauer auf die Finger, lassen sich auch schnell handwerkliche Fehler erkennen, wobei wir diesen Boulevardblattniveau zu attestieren geneigt sind:

Im Audiobeitrag der Hessenschau vom 06.01.2020 verlautbart der Sprecher zum geplanten Einsatz von Videoüberwachung:

Ein Drama wie im Juli in Frankfurt, wo eine Mutter mit Kind vor einen Zug gestoßen wurde, soll so verhindert werden.“

Bedauerlicherweise hat Videoüberwachung diese Katastrophe nicht verhindern können. Dies sollte den Hessenschau Reportern eigentlich aufgefallen sein, spätestens als sie im auf den Audiobeitrag folgenden Text von dem Vorhandensein von Videoüberwachung am Bahnhof Frankfurt schreiben.

Weiter sind Sicherheit und Sicherheitsgefühl auch in dieser geplanten Maßnahme wieder einmal Stichworte und Taktgeber einer Durchsetzung von erneuten Überwachungsbefugnissen und einer damit einhergehenden erhofften Akzeptanz von Videoüberwachungen auf Seiten der Bevölkerung respektive der Nutzerinnen und Nutzer des Bahnhofs Wilhelmshöhe. Gefragt wird hier auch scheinbar gar nicht erst nach einer tatsächlichen Kriminalitätsstatistik oder einer „empirisch“ belegbaren Notwendigkeit. Taschendiebstähle beispielsweise legitimieren unserer Meinung nach längst keine „präventive Videoüberwachung“, solchen Delikten entgegen wiegt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts aller Bürgerinnen und Bürger durch massiven Ausbau von Videoüberwachung weitaus mehr. Körperverletzungen sind, wie an anderer Stelle bereits betont, selten geplante und auf Lokalisierungen bezogene tatrationale Delikte, welche durch Videoüberwachung verhindert werden (könnten). Um es auch in diesem Kontext noch einmal hervorzuheben, „Kriminalitätsschwerpunkte“ bedürfen selten und wenn überhaupt nur einer dezidiert geplant und gestalteten sowie streng evaluierten Videoüberwachung, ansonsten ist diese Maßnahme als „Ausweichsregelung“ identifizierbar, wobei dieser vorgelagert immer eine Bearbeitung und Bewältigung von Ursachen potentieller Konflikte zu stehen hat, um diese sich überhaupt gar nicht erst entwickeln zu lassen. Der Ausbau des Bahnhofs Wilhelmshöhe mit Videoüberwachungssystemen ist im Ensemble gegenwärtiger Überwachungsinstrumentarien lediglich präventives Agieren, ein Schustern an den ewig gleichen und auch durch stetes Wiederkäuen nicht „gesicherten“ Koordinaten „Sicherheit“ und „Sicherheitsgefühl“.

Aufmerksamen Nutzerinnen und Nutzern des Bahnhofs Wilhelmshöhe mag es nicht entgangen sein, daß sich an den Bahnsteigen tatsächlich schon Videokameras befinden. Diese dienen in erster Linie zu betriebstechnischen Beobachtungen seitens der Bahn sowie dem Überblick zu Ein- und Ausstiegsszenarien. Doch auch auf diese Kameras kann die Bundespolizei bei Bedarf längst zugreifen. Die hier angekündigte Einführung von Videoüberwachung ist somit vielmehr eine Erweiterung, ein Ausbau von Überwachungsräumen. Durch das Bundespolizeigesetz wird die Bundespolizei de jure in die Lage versetzt, an Anlagen und Einrichtungen der Bahn „selbsttätige Bildaufnahme- und Bildaufzeichungsgeräte“ einzusetzen. Dabei kommt das von der Bahn gepriesene Produkt „Betriebsgeführte Videoüberwachung“ zum Einsatz, welches von der Bahn an entsprechende Stellen verkauft wird. Entgegen einer Einführung von Videoüberwachung am Bahnhof Wilhelmshöhe geht es hier in der Diskussion also vielmehr um das Ausmaß des Umbaus von Überwachungsinfrastruktur, die Erweiterung oder die Neustrukturierung von Videoüberwachung - Videoüberwachung unter neuen Vorzeichen. Für den Bahnhof Wilhelmshöhe ist dann zumindest eine Ausweitung von Videoüberwachung auf den gesamten Vorplatz, den Eingangsbereich sowie die Auf- und Abstiege zu den Gleisen erwartbar.

Die Aufnahmen der Überwachungskameras werden von der Bundespolizei gespeichert, welche eine vertragliche Datenverarbeitung mit der Bahn vereinbart. Der Gesetzgeber hat der Bundespolizei eine Speichermöglichkeit der Videoaufnahmen bis zu einem Monat ermöglicht. I.d.R. wird bei solchen Vorhaben eine Einschätzung der Bundespolizei gegeben, wobei eine Videoüberwachung „erforderlich, angemessen und verhältnismäßig“ zu sein hat. Als Bezugspunkte dienen hierbei die Kriminalitätsstatistik als auch das quantitative Aufkommen an Fahrgästen.

Um einen Ausblick zu wagen soll hier gleich ein Verweis auf neue biometrische Verfahren im Rahmen von Videoüberwachung aufmerksam gemacht werden. Wie weiter oben bereits angedeutet, scheint aus den Reihen der Sozialdemokratie immer weniger zu erwarten zu sein, wenn es um das Verhindern eines Ausbaus von Videoüberwachung geht. Zumindest bisher stellt sich Saskia Esken noch gegen einen Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium, welches unter Horst Seehofer Videoüberwachung mit Gesichtserkennung u.a. an Bahnhöfen ausbauen möchte siehe hier.

Im Kern geht es um eine Kompetenzerweiterung durch einen Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums, in welchem eine Ausdehnung der Zuständigkeiten und Befugnisse der Bundespolizei auf das ganze Land gestaltet werden soll. Videoüberwachung mit Gesichtserkennung wurde im Rahmen eines Pilotprojekts am Berliner Bahnhof Südkreuz getestet und mit schöngerechneten Ergebnissen als Erfolgsprojekt verkauft. Videoüberwachung mit Gesichtserkennung greift massiv in Freiheitsrechte und Selbstbestimmungsmöglichkeiten der Nutzerinnen und Nutzer im öffentlichen Raum ein, dieses Vorhaben torpediert radikal die Möglichkeit, sich frei und unbeobachtet außerhalb der eigenen vier Wände bewegen zu können. Es stellt alle Bürgerinnen und Bürger – gleich einer Vorratsdatenspeicherung - unter Generalverdacht, es erschafft völlig neue Dimensionen im Hinblick auf die Generierung und Archivierung von Bewegungsprofilen und würde mit einer Einführung eine erhebliche Beschädigung unserer Freiheitsrechte bedeuten, wodurch uns als Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit und das Recht auf Privatsphäre und Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum weitestgehend genommen wird.

Sollte dieses Instrument der Beschädigung unserer Bürgerrechte Anwendung finden, ist es auch für Kassel und den Bahnhof Wilhelmshöhe von Belang. Für die kommende Stadtverordnetenversammlung am 02.11.2020 in Kassel, hat die Fraktion FDP, Freie Wähler, PIRATEN einen Antrag zum Verzicht auf automatisierte Gesichtserkennung eingereicht.

Zum Thema der automatisierten Gesichtserkennung hat sich ein Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen formiert, welches umfangreiche Informationen zum Gegenstand sowie Handreichungen und Hilfestellungen bietet, um gegen dieses obszöne Überwachungsprojekt aktiv zu werden. https://www.gesichtserkennung-stoppen.de